Alltagslotsen

2015

Angefangen hat es im Sommer 2015. Damals konnte man häufig Geflüchtete durch Falkensee irren sehen –
ohne Orts- und Sprachkenntnisse. Von der Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt waren sie in den Zug gesetzt worden mit dem Ziel „Falkensee, Übergangswohnheim (ÜWH) in der Kremmener Straße“. Dieses Vorgehen machte deutlich, dass die Migranten – vormals Flüchtlinge, dann Geflüchtete genannt – auf diesem Weg so gut wie keine amtliche oder behördliche Unterstützung hatten. Ein Segen war es daher, dass Kathleen und Nicola schon lange im Vorfeld die WiF gegründet hatten und recht schnell den Mitarbeiterinnen des ÜWH Hilfestellung bei der Versorgung und Betreuung der Neuankömmlinge anbieten konnten. Viele Falkenseerinnen – so auch ich – schlossen sich der WiF an und leisteten „Erste Hilfe“ in Form von Lebensmitteln, Kleidung und moralischem Support. Im ASB gab es eine Kleiderkammer, und dort wurden auch Räumlichkeiten für Deutschunterricht und das sonntägliche Willkommenscafé zur Verfügung gestellt. (All das ist an anderer Stelle der Chronik beschrieben.) Die WiF wuchs stark in dieser Zeit, es war unvermeidlich, dass viele Hilfestellungen organisiert werden mussten, um erfolgreich zu sein. Deshalb gründeten wir die „AG Alltagslotsen“. Da die Mitarbeit in vielen Bereichen geplant war, Ehrenamtliche aber natürlich durchaus unterschiedliche Zeit und Kapazität einbringen konnten und wollten, hatte ich eine Matrix der Aufgaben und Zeitpläne entwickelt, um unsere Ressourcen sinnvoll nutzen zu können. In diesen Strukturplan konnte sich jeder eintragen, sodass alle Aufgaben gut abgedeckt waren. Aus vielen Teams bildeten sich dann eigene AGs, zum Beispiel Kinderbetreuung oder Kulturbesuche.

2016

Als im ehemaligen Möbelhaus AGON eine Notunterkunft unter Leitung der Johanniter eröffnet wurde,
waren wir gut aufgestellt, die Heimleitung und -mitarbeiterinnen bei der Betreuung zu unterstützen. Im Eingangsbereich hielten wir von montags bis freitags jeweils am Nachmittag Sprechstunden ab, die von Anfang an von den Bewohnern der Notunterkunft, aber auch von „alten Kunden“ aus der Kremmener Straße gut angenommen wurden. Sprachliche Unterstützung hatten wir von vornehmlich jungen Syrern und Afghanen, die gute Englischkenntnisse hatten und unser mangelhaftes Arabisch, Farsi oder Dari kompensieren konnten. Anders als heute hatten die Neuankömmlinge zwar einen Asylantrag in Eisenhüttenstadt stellen können, aber noch nicht das entscheidende Interview bei der Außenstelle des BAMF gehabt. Ihr Status war also ungeklärt, und die erhebliche Belastung nach allem, was hinter ihnen lag, in einer Halle ohne Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre entsprechend hoch. Mit der zunehmenden Zahl von Anerkennungen als Flüchtlinge gemäß der Genfer Konvention und Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsgenehmigung wuchsen auch unsere Aufgaben. Als anerkannte Flüchtlinge hatten sie kein Wohnrecht in den Übergangswohnheimen, sondern mussten mit teils vielköpfiger Familie eine eigene Wohnung im Landkreis finden.

2017 ff.

Wir hatten inzwischen unsere Sprechstunden in die B80 verlegt. Dort ermöglichte es uns die Infrastruktur, bei der Wohnungssuche, aber auch bei der Beantragung des Familiennachzugs zu unterstützen. Wir gründeten die AG Wohnen 4.0 und halfen auch dabei, Leute in Arbeit zu bringen. … und heute? Viele von uns helfen nach wie vor vielen der Migranten bei vielen Problemen oder Anforderungen. Und wir wurden und werden für unseren Einsatz von Offiziellen und Inoffiziellen oft und viel gelobt. Aber ohne die wachsende Unterstützung unseres Engagements durch Mitarbeiterinnen von Ämtern und Behörden der Stadt und des Landkreises wäre unser Erfolg nicht möglich gewesen. Auch wenn auf beiden Seiten viele anfangs skeptisch waren, gab es sehr schnell ein Vertrauensverhältnis, das für große Teile des Erreichten für beide Seiten essenziell war und das bis heute fortbesteht. An dieser Stelle möchte ich mich deshalb bei allen hier Angesprochenen herzlich bedanken.
Gisela