Auf Augenhöhe

Der Schäfer aus Brandenburg und der Flüchtling aus Kamerun sprechen unterschiedliche Sprachen

Von Weitem schon hat uns der Herdenschutzhund gesehen. Mit großen Sätzen springt er hin und her, während die Schafherde hinter ihm gelassen weiter weidet…. Wir sind unterwegs mit Schäfer Olaf Kolecki aus dem brandenburgischen Falkensee und jetzt auf einer seiner Weideflächen im Landkreis Havelland angelangt, wo Rauhwollige Pommersche Landschafe, Skudden und Bentheimer sowie Merinos auf Futtersuche sind, mittenmang ein paar Ziegen. …

Rückblick auf einen Sommertag im vergangenen Jahr: Der Schäfer war gerade in Potsdam, als er einen

alarmierenden Anruf bekam. Ein Teil seiner Herde war ausgebrochen und rasches Handeln gefordert. Woher aber schnell Hilfe bekommen? Kurzentschlossen telefonierte Kolecki mit der Leiterin des Flüchtlingsheimes in Schönwalde-Glien, schilderte die Situation. Keine Stunde später stoppte er vor dem Eingang des Heimes, um Goodwin Koto Sama und zwei weitere Helfer an Bord zu nehmen. Gegen Abend war die Herde wieder in Sicherheit und der aus Kamerun Geflüchtete fortan eine wichtige Stütze. „Ich habe sofort gemerkt, dass Goodwin gut mit den Schafen und den Hunden umgehen kann“, erinnert sich Kolecki. Trotz der Sprachbarriere habe der Afrikaner, der Englisch und Französisch spricht, aber nur wenige Wörter Deutsch beherrscht, schnell die wichtigsten Handgriffe gelernt. Dazu gehört, Weidezäune stabil aufzubauen und umzusetzen. Zugleich gilt es regelmäßig zu kontrollieren, ob ausreichend Tränkwasser für die Tiere vorhanden ist und der Weidezaun die erforderliche Spannung hat. „Auf Goodwin kann ich mich verlassen“,

betont der Schäfer. Wie wir von Goodwin Koto Sam erfahren, ist ihm der Umgang mit Schafen nicht fremd.

Sein Bruder betreibe daheim in Kamerun eine Farm. „Ich habe dort oft ausgeholfen.“ Doch beruflich hatte er mit ganz anderen Dingen zu tun, war Polizist, 30 Jahre lang. 

Warum dann die Flucht nach Europa? „Nach der Pensionierung wurde ich bedroht. Man warf mir vor, Rebellen unterstützt zu haben. Doch das stimmt nicht!“ Politische Unruhen bestimmen seit einiger Zeit die Situation in Kamerun, Separatisten destabilisieren die Lage ebenso wie die Terrormilizen von Boko Haram. Nachdem drei ehemalige Kollegen von Goodwin Koto Sama von ihnen umgebracht worden waren, musste auch er um sein Leben fürchten. Über die katholische Kirche gelang es ihm, ein Visum für Frankreich zu bekommen und auszureisen. Mitte September 2019 traf er in Deutschland ein, zunächst in Eisenhüttenstadt, dann in Doberlug-Kirchhain. Seit Mai vergangenen Jahres ist er nun im Asylbewerberheim in Schönwalde-Glien untergebracht. Dieses wurde in Container-Bauweise 2016 eingerichtet. …

Olaf Kolecki jedenfalls möchte seinen Helfer nicht mehr missen. Mit seinen Schafen ist er auf verschiedenen

Weideflächen unterwegs, für die er Pflegeverträge abgeschlossen hat, zumeist mit Kommunen. „An manchen Tagen bin ich bis zu 200 Kilometer unterwegs, um regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Ohne Goodwin wäre das nicht zu schaffen!“ Zeichen seiner Dankbarkeit sind nicht nur die Lebensmitteleinkäufe, die der Schäfer aus Falkensee für den Kameruner übernimmt. Erhat ihm auch ein Fahrrad geschenkt. Mit dem ist Goodwin Koto Sama natürlich nicht so schnell unterwegs wie mit dem Dienst-Motorrad seinerzeit in der Heimat. Aber das kann ja alles noch werden …

Das Heim auf dem Gelände des Gewerbegebietes Erlenbruch am Rande von Schönwalde ist von einem Metallzaun umgeben und wird bewacht, wie auf dem Schild am Tor zu lesen ist. Nachdem wir uns offiziell über die Pressestelle des Landkreises angemeldet hatten, heißt uns Malaika Hittmeyer, die Leiterin des Heimes, willkommen und gibt Auskunft. Sie ist in Deutschland geboren, verrät sie eingangs, hat aber mehr als vier Jahrzehnte in Afrika gelebt und dort auch in der Flüchtlingshilfe gearbeitet.

…. Wenn sich Bewohner für gemeinnützige Arbeiten engagieren, gibt es dafür ein bescheidenes Entgelt.

80 Cent pro Stunde werden gezahlt, pro Monat maximal 96 Euro. Für viele der Geflüchteten steht nicht das Geld im Vordergrund, sondern die Tatsache, sich wieder nützlich machen zu können. „Ich kann doch nicht die ganze Zeit rumsitzen“, erklärt Goodwin Koto Sama. Er gibt zu, dass ihm die Familie sehr fehlt. Seine drei Töchter sind zwar erwachsen, haben sich eine eigene Existenz aufgebaut.

Aber wer wisse schon, wie lange das in solch unruhigen Zeiten gutgehe. Jedes Wochenende telefoniert er

mit seiner Frau, um sich auszutauschen. So gern würde er sie nach Deutschland holen. Aber daran sei gegenwärtig ebenso wenig zu denken wie an eine Rückkehr nach

Kamerun. …

Bauernzeitung 13/2021

Autor: Wolfgang Herklotz

Foto: Sabine Rübensaat