Wenn wir von gelungener Integration sprechen, da fällt mir sofort Ahmed ein

Geboren 1994 in Tripolis hat Ahmed in Libyen als zweitältester Sohn einer angesehenen Familie mit fünf Kindern Tourismus studiert. Er kam im Mai 2018 nach über einem Jahr Kriegshandlungen gegen den
„Islamischen Staat“ mit einem Visum über Rom nach Berlin. Zu viel hat er erleben müssen, zu viele Freunde, zu viele unschuldige Kinder sterben sehen. Um seinen Asylantrag zu stellen, kam er zuerst nach Eisenhüttenstadt. Bereits dort hat er sich eine Arbeit gesucht und eigeninitiativ Deutsch gelernt. Drei Monate später kam er nach Wünsdorf, wo er bereits als Übersetzer tätig war. Eines Tages übernachtete er zufällig woanders und genau an diesem Tage wurde er um sechs Uhr früh von 20 Polizisten gesucht, die ihn
in Abschiebehaft nehmen wollten. Allah war mit ihm und er musste nicht zurück nach Italien. So kam er dann im April 2019 nach Schönwalde, wo er weiter Deutsch büffelte und schnell die Prüfungen B1 und B2 ablegte. Ich kann nur sagen „Hut ab“ vor diesen Deutschkenntnissen innerhalb von nur drei Jahren. Er spricht einwandfrei und ich dachte, er habe in Tripolis bereits Deutsch gelernt! Dann kam, was keiner verstehen kann: Trotz Beweisen für die Gefahr in Libyen wurde sein Asylantrag abgelehnt. Aber Ahmed gibt nicht auf! Er hat hier eine zweite Heimat gefunden und entschied sich, obwohl sein Bachelor im Tourismusbereich hier in Deutschland anerkannt wird, etwas für die Menschen zu tun. Zehn Monate arbeitete er als Hilfskraft bei einer Hauskrankenpflege, um dann als Pflegehelfer Erfahrung in der Altenpflege zu sammeln und in diesem Jahr eine generalistische Ausbildung als Pflegefachmann zu beginnen. Ich habe Ahmed kennengelernt, als er einen Lernhelfer suchte. Bis vor einigen Jahren war ich Ausbilderin in einem Berufsbildungswerk. Dadurch habe ich zumindest Ahnung, wie man sich Lernstoff erschließt und kenne gute Lernmethoden aus der Praxis. So helfe ich nun Ahmed etwa zwei Mal die Woche, den Lernstoff zu verstehen. Aber was Ahmed für diesen Beruf alles lernen muss, habe ich so nicht erwartet. Nachdem wir die Grundlagen der Hygiene erarbeitet haben, ging es erst richtig los: Verschiedenste Bereiche der Medizin und Diagnostik mussten erlernt und beschrieben werden. So haben wir die gesamte Anatomie und Physiologie des Bewegungsapparates gepaukt (wie hieß noch mal der kleine Knochen am Nasenbein?). Wie viele Arten der Arthritis gibt es, welche Behandlung steht an, wie viele Möglichkeiten gibt es, rheumatoide Arthritis festzustellen? Ahmed lernt strebsam und unbeirrbar alle lateinischen Begriffe, obwohl die deutschen Wörter schon manchmal eine Herausforderung sind. Ahmed fragt manchmal, ob er das rasante Tempo bei der theoretischen Ausbildung überhaupt schaffen kann. Na, wer sich so supertoll in Deutschland integriert hat, der schafft auch locker eine solche Ausbildung. Was ich ihm wünsche: Dass sein Engagement anerkannt wird und er eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhält. Er hat es auf jeden Fall verdient! Und dass er bald in Falkensee eine neue Wohnung findet, er sucht dringend.
Alles Gute für Ahmed.