Broterwerb in der Backstube

Wenn der Bäcker keine Lust an der Arbeit hat, dann kann er auch keinen leckeren Kuchen backen. Davon ist Hans-Jürgen Leib überzeugt. „Das Arbeitsklima muss stimmen“, sagt der Chef des Bio-Backhauses und achtet darauf, dass sich die Leute wohlfühlen, die sich bei ihm ihr Brot verdienen. Darunter befinden sich auch eine ganze Reihe von Geflüchteten, derzeit sind es 14. Er gebe jedem eine Chance, sagt der 78-Jährige, der seit 1978 das zunächst im Westteil Berlins, dann von 1992 bis 2017 in Falkensee und inzwischen in Wustermark ansässige Unternehmen leitet. Und die aus den Gemeinschaftsunterkünften in Falkensee, Rathenow oder Brieselang stammenden Menschen hätten sich als zuverlässig und pünktlich bewährt. Fehlzeiten wegen Krankheit gebe es kaum, ihre Arbeiten erledigten sie schnell und gut. Die Geflüchteten sind im Bio-Backhaus als Helfer in der Backstube beschäftigt. Eine qualifizierte Arbeit ist wegen mangelnder Sprachkenntnisse meist nicht möglich, handwerkliches Geschick beim Umgang mit den Backwaren ist aber gefragt. Nur ein junger Mann aus Syrien absolviert im Bio-Backhaus gerade eine Ausbildung zum Bäcker. Der praktische Teil der Ausbildung im Betrieb laufe gut, für die Berufsschule sei allerdings viel Nachhilfeunterricht notwendig, so Leib. Als die Backstube noch an der Bahnhofstraße mitten in Falkensee ansässig war, konnten einige der Geflüchteten zu Fuß zur Arbeit gehen. Jetzt ist die schlechte Anbindung im Wustermarker Gewerbegebiet das größte Problem für sie. „Wir hatten teilweise einen Taxidienst beauftragt, der die Leute für die Spätschicht geholt und später wieder zurückgebracht hat“, erzählt Hans-Jürgen Leib. Die beginnt um 19 Uhr und endet um zwei Uhr nachts. Inzwischen haben die Leute sich Mitfahrgelegenheiten organisiert. Für die beiden Tagschichten funktioniert die Anbindung mit dem Bus ganz gut, wobei der Betrieb die Zeiten für Dienstbeginn und -ende ein wenig an den Havelbus-Fahrplan angepasst hat. Hans-Jürgen Leib berichtet von einem Kollegen in Augsburg, der in seiner Bäckerei sogar einen Gebetsraum für moslemische Produktionshelfer eingerichtet hat. „In dieser Richtung gab es bei uns noch keine Nachfrage – aber die Räume hätten wir“, sagt der Chef. Auf dem Gelände in Sichtweite der Autobahn A10 war früher ein konventioneller Großbetrieb ansässig, der „Havelbäcker“. Das Bio-Backhaus hat die eine Zeitlang leerstehenden Hallen übernommen, weil auf dem eigenen Gelände in Falkensee keine Expansion mehr möglich war. Rund 200 Beschäftigte hat der Betrieb, davon 79 in der Backstube. Bis zu 12.000 Brote, 30.000 Brötchen und 5000 Stück Kuchen werden am Tag produziert. Verkauft werden die Waren in elf eigenen Filialen überwiegend in Berlin, außerdem bei den Bio-Supermarktketten Denn‘s und Alnatura. Unverkaufte Waren werden im Food-Saving teilweise in Wohnheimen für Geflüchtete verteilt – ein weiteres Element der Hilfe.