Nur die Mutter hat geholfen
Rede am Christopher-Street-Day, 22. Juni 2021, am Rathaus Falkensee.
Der aus dem Iran stammende R.S., der in Rathenow lebt, berichtet:
„Dies ist das erste Mal, dass ich ein solche Rede in der Öffentlichkeit halte. Martina vom Regenbogencafé hat mir vorgeschlagen, dass ich beim CSD in Falkensee über meine Situation und meine Erfahrungen aus meinem Heimatland sprechen kann. Ich sagte ihr, dass ich leider noch nicht so gut deutsch sprechen kann. Ich versuche aber, es so gut wie möglich zu machen. Also, wenn ich Ihnen von meinen Erfahrungen aus meinem Heimatland, dem Iran, erzählen möchte, würde wahrscheinlich ein ganzes Buch nicht ausreichen. Ich werde es aber verkürzen.
Das erste Mal, als ich meine sexuelle Orientierung bemerkte, war ich ein Teenager. Ich lebte in einer fanatischen Familie in einer kleinen Stadt und ich hatte keine Ahnung von Homosexualität. Ich habe nur von meinem Vater gehört, dass es eine große Sünde ist. Auch habe ich gehört, dass Homosexualität in der Gesellschaft schwer bestraft wird. Deshalb versuchte ich, mich entweder als heterosexuell zu präsentieren oder mich umzubringen. Ich konnte es aber nicht, und ich konnte auch die Rolle nicht gut spielen.
Ich habe gebetet und bin zum Arzt gegangen, aber nichts hat funktioniert, denn diese Neigung existiert und ich musste sie akzeptieren. Inzwischen war ich älter. Ich hatte keine andere Wahl, als meine Stadt zu
verlassen und in eine große Stadt zu gehen. Auch dort ging es mir nicht gut, weil ich bei der Arbeit und von Mitbewohnern belästigt wurde. Die meisten Menschen dort stellen Schwulsein mit Prostitution oder Pädophilie gleich. Sie haben immer versucht, sich von Schwulen zu distanzieren. Natürlich gibt
es in allen Gesellschaften gute und schlechte Menschen. Meine Situation wurde schwieriger, als ich in meine kleine Stadt zurückkehren musste. Meine beiden älteren Brüder haben mich bedroht. Ich müsste entweder die Neigung aufgeben oder sie würden mich zerstören. Ich wusste nicht, was ich tun und wohin ich gehen sollte.
Wenn mir meine Mutter nicht geholfen hätte, wäre es mir vielleicht so ergangen wie dem jungen Iraner Alireza, der letzten Monat von seinen beiden Brüdern wegen seiner Homosexualität ermordet wurde.
Ich bin sehr dankbar, jetzt in Deutschland zu sein und mein eigenes selbstbestimmtes Leben in Freiheit und ohne Angst zu leben. Ich wohne derzeit in Rathenow. Dort kann ich so sein, wie ich bin und niemand bedroht mich wegen meiner Homosexualität. Ich denke, dass viele Immigranten, die aus verschiedenen abgeschotteten Ländern kommen, sich nicht mit Homosexualität auskennen und nichts darüber wissen. Hier können sie informiert und aufgeklärt werden.
Zum Schluss möchte ich sagen: Jede Form von Homo- und Transphobie muss bekämpft werden! Vielen Dank.“