Wenn Ahmed in der Schule etwas nicht verstanden hat, dann kann er Norbert fragen. Norbert Herzig, 71 Jahre alt, kommt regelmäßig etwa einmal in der Woche und übt dann oft mit dem Jungen Lesen. „Ahmed geht gerne in die Schule und spricht ganz gut deutsch“, sagt Norbert. Der Rentner und frühere Bankkaufmann hat auch Kontakt zu Ahmeds Lehrerin an der Lessing-Grundschule in Finkenkrug und kann den Eltern vermitteln, wie ihr Sohn im Unterricht mitkommt. Ahmed ist in Syrien geboren und 2015 als Dreijähriger mit seiner Mutter Aishe hierher gekommen. Der Vater Mahmoud war schon etwas eher angekommen und lebte im Heim in der Kremmener Straße. Norbert Herzig war mit dabei, als Mahmoud
seine Frau und sein Kind, die zuerst einer Unterkunft in Rheinsberg zugewiesen worden waren, am Bahnhof Falkensee abholte. „Sie kam mit einem Kinderwagen und mit Plastiktüten behangen, in denen all ihr Hab und Gut war“, erinnert er sich.
Im Sommer 2015 hatte sich Norbert Herzig gemeldet, weil er helfen wollte. Die Familie begleitet er seither
kontinuierlich. Nach ihrer Ankunft konnten Mahmoud, Aishe und Ahmed bald für eine Übergangszeit in eine
größere Gartenlaube in Falkensee umziehen, später dann in eine Wohnung in Finkenkrug. Wenn sie Termine
beim Arzt oder bei einem Amt hatten, hat Norbert das für sie organisiert. Die Verständigung lief am Anfang über Übersetzungsprogramme im Handy oder andere Geflüchtete, die dolmetschen konnten, denn Mahmoud und Aishe sprachen anfangs weder deutsch noch englisch. Inzwischen haben sich ihre Sprachkenntnisse deutlich verbessert. Mahmoud hat dabei trotz VHS-Kurs mehr Mühe als Aishe, die sich die Sprache hauptsächlich über Youtube-Videos beigebracht hat, weil sie wegen der inzwischen vier Kinder
keine Zeit für einen Kurs hätte. Durch Corona sind beide in ihrer Bemühung um Integration zurückgeworfen worden. Mahmoud hat den Führerschein gemacht und hatte über eine Zeitarbeitsfirma einen Job, das ruht jetzt aber.
Bei einer zweiten syrischen Familie, zu der Norbert Kontakt hält, ist durch die Pandemie manches schwerer geworden. Mutter und Vater, in Syrien Schulrektorin und Lehrer, haben mit dem Level B1 inzwischen ein gehobenes Sprachniveau erreicht. Der älteste Sohn macht inzwischen Abitur und auch eine Schwester ist auf dem Gymnasium. Der Vater, der mit viel Mühe und Geld die deutsche Fahrerlaubnis erworben hat, ist nach einem Altenpflegekurs weiter auf der Suche nach einer festen Arbeit.
Norbert, der seit dem Tod seines Lebensgefährten alleinstehend ist, empfindet den Kontakt zu den beiden
Familien als Bereicherung für sein Leben. „Ich habe einen großen Freundeskreis und daher auch nicht immer Zeit“, sagt er. Aber wenn er von Mahmoud und Aishe mit köstlichem Mokka bewirtet wird, die Kinder um ihn herspringen und er helfen kann, dann freut er sich.