Unser Anliegen beim Treffen mit dem Bundeskanzler waren die notwendigen Ersatzpapieren für im Iran geborene minderjährig eingereiste Geflüchtete ohne Geburtsurkunden, damit sie Chance auf eine Niederlassungserlaubnis bekommen.
„Altfälle“ könnte man eine Gruppe von unbegleiteten Minderjährigen zu uns gekommenen Menschen bezeichnen. Das sind junge geflüchtete Menschen die de-facto staatenlos sind: Sie sind nominell afghanischer Staatsbürger. Als Kinder von Afghanen, die meist in den 90er Jahren in den Iran geflohen sind, wurde ihnen nach ihrer Geburt im Iran keine Geburtsurkunde ausgestellt. Die Erlangung einer Geburtsurkunde (Tazkira) wäre nur in Afghanistan und nur unter Inkaufnahme von Lebensgefahr möglich gewesen.
Deswegen sind diese Kinder (jetzt junge Erwachsene) ohne Geburtsurkunde nach Deutschland gekommen. Schon vor der Machtübername der Taliban in Afghanistan war es für diese, bei uns lebenden jungen Menschen, schwer bis unmöglich, eine Tazkira zu bekommen. Ohne Tazkira stellte die afghanische Botschaft keine Pässe aus. Mit der Machtübernahme der Taliban ist die Botschaft endgültig unwillig, Tazkira oder Pässe auszustellen. Diese jungen Menschen können daher ihre Identität somit nicht nachweisen – und in Folge können sie keine Niederlassungserlaubnis, geschweige denn deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Sie leben mit dem Gefühl nicht gewollt zu sein – nicht ankommen zu dürfen – in der deutschen Gesellschaft.
Als unbegleitete minderjährig Eingereiste ist es unwahrscheinlich, dass sie eine terroristische oder verbrecherische Vergangenheit haben. Daher sollte die Bundesrepublik Deutschland auf den Identitätsnachweis verzichten und die im Aufenthaltsrecht bereits vorgesehene Möglichkeit nutzen, ersatzweise deutsche Pässe auszustellen.
Die Unmöglichkeit, sich in Deutschland „richtig“ zu integrieren – mit der Niederlassungserlaubnis – zermürbt diese jungen Menschen. Viele von ihnen haben deutsche Schulabschlüsse gemacht und/oder absolvieren eine Ausbildung zur Facharbeiterin oder Facharbeiter, sprechen fließend Deutsch, machen alles und mehr, was wir unter dem Stichpunkt „Integration“ von ihnen verlangen.
Jetzt ist es an der Zeit, eine pragmatische Lösung für diese Altfälle zu finden. Wer bis 2020 minderjährig eingereist ist, das eigene Aufwachsen als afghanischer Flüchtling im Iran, die Flüchtlingssituation und Wohngegebenheiten der Eltern im Iran plausibel darlegen kann, Deutsch spricht, der oder dem sollte die Auflage des Identitätsnachweises erlassen werden und deutsche Ersatzpapiere ausgestellt werden. Alles so, dass die Erlangung der Niederlassungserlaubnis nicht an der fehlenden afghanischen Tazkira scheitert.
Wir stehen als Ansprechpartner:innen gern zur Verfügung mit den bei uns lebenden gut integrierten afghanischen jungen Menschen, die in ihr Ausbildungs- oder Berufsleben starten.